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Hunde

Was ist ein Wesenstets bei Hunden?

Podenco

Der Begriff „Wesenstest“ ist eigentlich unglücklich gewählt – hat sich aber im Laufe der letzten Jahre eingebürgert. Natürlich lässt sich das gesamte „Wesen“ eines Hundes nicht mit einem einzelnen Test erfassen. Man kann immer nur Teilaspekte herausgreifen und je nachdem, welches Ziel erreicht werden soll, werden dann bestimmte Schwerpunkte in den Tests gesetzt. Die Tests, die heute gemeinhin als Wesenstests bezeichnet werden, dienen dazu, sich ein Bild über die Gefährlichkeit eines individuellen Hundes nach den Maßgaben von Gefahrhunde-Verordnungen zu machen.

(Foto: © Barbara J. Litza)

Gefahrenpotential Hund?

„Gefährlichkeit“ ist ein abstrakter Begriff. Es bedeutet, dass der jeweilige Hund Gefahren für andere verursachen kann. „Gefahr“ wiederum bedeutet hierbei, dass ein anderes Lebewesen mit reeller Chance verletzt werden könnte, Schmerzen erleiden oder zu Tode kommen könnte. Nach dieser Definition kann grundsätzlich von jedem Hund ein Gefahrenpotential für andere (Menschen oder Tiere) ausgehen. Auch ein freundlicher Hund, der z.B. einen Menschen zur Begrüßung anspringt, kann einen Unfall provozieren. Hunde können aus Angst weglaufen und Unfälle verursachen und natürlich kann jeder Hund Drohen oder Beißen, denn das Aggressionsverhalten gehört zum normalen Verhaltensrepertoire von allen Hunden. Aus diesem Grund wird bei den Wesenstests nach Gefahrhunde-VO zum einen untersucht, wie und in welchem Maße Hunde Aggressionsverhalten zeigen: es werden Individuen herausgefiltert, die sich durch ein gesteigertes Aggressionsverhalten bzw. eine gestörte aggressive Kommunikation auszeichnen. Zum anderen wird aber auch beurteilt, wie gut der Halter seinen Hund kennt, wie gut er ihn unter Kontrolle hat und wie es um die Sachkunde des Halters bestellt ist.
Wesenstests sind immer nur eine Momentaufnahme im Leben eines Hundes. Das Verhalten eines Hundes kann sich im Laufe der Zeit ändern. Neben allen anderen Verhaltensweisen ist z.B. auch das Aggressionsverhalten von Umwelteinflüssen abhängig und über Lernvorgänge zu beeinflussen. Ein sachkundiger Halter ist darum die größtmögliche Garantie dafür, dass keine Gefahr von einem Hund ausgehen kann. Aus diesem Grund werden „Wesenstests“ immer zusammen mit dem Halter durchgeführt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sollten nur dann erfolgen, wenn für den entsprechenden Hund tatsächlich kein Halter existiert.

Wie wird ein Wesenstest durchgeführt?

Die in Hamburg zur Durchführung von Wesenstests zugelassenen Tierärztinnen und Tierärzte arbeiten nach dem Standard, der für Niedersachsen entwickelt wurde. Den kompletten Ablauf des Tests finden Sie auf der Homepage des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Dieser Test ist von Fachleuten entwickelt worden; bei der Erarbeitung wurden bereits bestehende international anerkannte Testverfahren berücksichtigt.

Der Hund wird bei diesem Test einer Vielzahl von Einzelsituationen ausgesetzt. Dabei werden zum einen Stimuli verwendet, denen ein Hund im alltäglichen Leben mit dem Menschen regelmäßig begegnet; zum anderen werden Stimuli eingesetzt, die bekannter weise Aggressionsverhalten beim Hund auslösen. Dazu kommt, dass der Hund im Laufe der Tests auch unter Stress gesetzt wird, so dass sich die Wahrscheinlichkeit von aggressiven Reaktionen des Hundes in individuellen Situationen erhöht. Zusätzlich erhalten die Besitzer einen Fragebogen. In diesem machen sie unter anderem Angaben zur Geschichte, zur Entwicklung und zum Verhalten des Hundes; dazu geben sie Auskunft zur Hundeausbildung etc.. Anhand des Fragebogens und der Beobachtungen, wie der Halter mit dem Hund umgeht, lässt sich so der Sachverstand des/der Halter/s evaluieren. Bevor der eigentliche Test durchgeführt wird, wird mit den Hunden noch ein so genannter Lerntest durchgeführt. Hierbei kann der Tester feststellen, ob dem Hund psychoaktive Substanzen, z.B. Beruhigungsmittel, gegeben wurden.

Die Hunde werden an der Leine, aber ohne Maulkorb getestet. Ein grundsätzliches und komplettes Testen mit Maulkorb kann das Testergebnis verfälschen. Zum einen wäre der Maulkorb ein Stressor unbekannter Größe. Im Test geht es aber gerade darum, dass der Tester verschiedene Stressoren (die er selber kontrollieren kann) ins Spiel bringt, um Stresstoleranz und Verhaltensmuster des Hundes zu beurteilen. Zum anderen wären aufgrund des Maulkorbs feine mimische Signale des Hundes im Kopfbereich nicht gut zu erkennen. Um die Gefährlichkeit eines Hundes korrekt zu beurteilen ist es aber gerade wichtig, auch feine Drohsignale oder Signale für Angst oder Stress zu erkennen. Natürlich kann es bei einzelnen Hunden und einzelnen Testsituationen auch einmal nötig werden, im weiteren Verlauf einen Maulkorb aufzusetzen. Dies wird der Tester dann aufgrund seiner Fachkunde und Erfahrung entscheiden.

So kann sich der Tester dann ein Gesamtbild über den jeweiligen Hund machen. Bei der Beurteilung wird er oder sie z.B. auch berücksichtigen dass Aggressionsbereitschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt X immer durch die Umwelt geformt wurde und dabei auch gezielt trainiert worden sein kann.
Bestimmte Formen aggressiven Verhaltens beim Hund unter Umständen zwar normal und nachvollziehbar sind – nichtsdestotrotz aber eine Gefahr für Menschen und Tiere darstellen und aus diesem Grund Handlungsbedarf im Sinne einer Gefahrhunde-VO besteht.

Wer führt Wesenstests durch?

Diese „Wesenstests“ sollten nur von Personen mit großem theoretischem Wissen (z.B. Hundeverhalten, Verhaltensbiologie generell, Lernbiologie) und einer großen praktischen Erfahrung im Umgang mit Hunden, ihrer Ausbildung und den Tests als solches durchgeführt werden.

Wesenstests sollten von Tierärztinnen und Tierärzten zusammen mit erfahrenen Helfern durchgeführt werden. Auch Krankheiten haben Einfluss auf das Verhalten eines Hundes und der Tierarzt wird diesen Faktor am besten erkennen und einschätzen können. Zudem müssen sich Tierärzte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an gewisse Gesetze und Verordnungen halten (es besteht z.B. eine Pflicht zur sorgfältigen Berufsausübung). Tierärztinnen und Tierärzte unterliegen der Schweigepflicht; der Hundehalter kann also sicher sein, dass seine Daten/Unterlagen etc. nicht einfach so an Dritte weiter gegeben werden.

Die Tierärztekammer Hamburg führt eine Liste der zugelassenen Tierärztinnen und Tierärzte und gibt diese an die zuständige Behörde weiter. Die Tierärzte auf dieser Liste haben ihre Fachkunde und praktische Erfahrung dokumentiert. Um überhaupt auf die Liste zu gelangen mussten sie mindestens 50 Weiterbildungsstunden im Bereich Ethologie, Hundeverhalten und Lernverhalten nachweisen. Dazu mussten sie an Tests teilnehmen und die Durchführung und das Beurteilen der Hunde praktisch üben. In regelmäßigen Abständen kontrolliert die Tierärztekammer, ob auch weiterhin Fort- und Weiterbildungen zu diesem Thema besucht werden und ob noch Tests durchgeführt werden. So können die Hundehalter sicher sein, dass sie wirklich an kompetente Tester geraten. Auf dieser Liste nennen wir auch Tierärztinnen und Tierärzte aus Schleswig-Holstein, die von der dortigen Tierärztekammer aufgrund ihrer Kompetenz zugelassen wurden. In Niedersachsen wird ebenfalls eine entsprechende Liste geführt.

Weitere interessante Informationen finden Sie in diesem Interview mit Prof. Hackbarth (PDF 1,5 MB) von der Tierärztlichen Hochschule Hannover (erschienen in: Der Gebrauchshund, Ausgabe 2/05).

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